Newtopia: Wie reden die da? 1


Ist Gemeinschaft ein Kommunikationsproblem? Jedenfalls ist mir aufgefallen, als ich letzte Nacht pflichtbewusst noch eine Folge Sat1-Theater geguckt habe, dass die Newtopianer da besorgniserregende Defizite aufweisen. Muss ich mir Sorgen machen? Am Ende verhungern sie, weil sie sich einfach nicht verstehen.

Ich hab mal einen Konflikt transkribiert (man muss allerdings einbeziehen, dass es sich um einen Sat1-Zusammenschnitt handelt, das Gespräch hat sich also wohl nicht ganz genauso zugetragen. Außerdem bin ich mir nicht 100-%-ig sicher, ob das wirklich Diellza und Conny waren, nur Hans ist eindeutig identifiziert:)

Hans: Ich bin garantiert nicht hergekommen, um auf einmal ohne alles zu leben.

 

Diellza: Man muss was leisten, um was zu bekommen, verstehst du?

 

Hans: Deswegen will ich da ja auch arbeiten für.

 

Diellza: Ich weiß, aber man darf halt einfach diesen Rahmen nicht überschreiten, zum Beispiel, schön und gut, du warst duschen mit warmem Wasser, das ist aber eigentlich nicht für uns gedacht, dass wir das warme Wasser benutzen, weißt du, was ich meine? Oder dass du jeden Morgen ein Ei nimmst. Natürlich hätt ich auch Bock auf ein Spiegelei… Oder ein Ei zu essen. Aber das wäre egoistisch gegenüber den anderen, verstehst du, was ich meine?

 

-Also willst du damit sagen, dass ich egoistisch bin?

 

-Nein, in der Hinsicht… Ich meine, mein Gott, du kannst das ruhig nehmen, oder hier zum Beispiel, deine Kidneybohnen, anstatt dass wir die für irgendein Gericht benutzen, wo wir alle mitessen, isst du die jetzt alleine. Und da kannst du jetzt einfach dazu stehen und sagen „Ja ok, ich bin egoistisch in dem Sinne“…

 

-Ja genau, ich steh dazu.

 

-Ja genau, das meine ich ja, und wir sind ja hier ein Team. Ich würde auch gern jeden Tag ein Spiegelei essen. Tu ich aber nicht.

 

-Ich mach es einfach.

 

-Ja, Punkt.

 

-Ich hab überhaupt kein Bock auf so ne Scheiß-Diskussion, ey. Wenn ich Hunger hab, dann hab ich Hunger.

 

-Das ist keine Scheiß-Diskussion, das war einfach eine ganz normale Fragestellung. Wenn du das Scheiße empfindest, dann bist du halt so. Dann bist du halt Scheiße.

 

-Ich bin Scheiße?

 

-Ja, in dem Sinne ja.

 

Conny: Können wir mal aufhören, uns bitte zu beleidigen?Weil dat muss nicht sein.

 

(Schnitt)

 

Das war jetzt nicht gerade ein konstruktive Diskussion, oder? Also in dem Sinne, verstehst du, was ich meine?

Reden außerhalb von Gemeinschaften heutzutage alle so? Oder nur die Sat1-Zielgruppe?

Wenn ich das mal versuche ernst zu nehmen, dann hat es für mich den Anschein, dass die Gesprächsbeteiligten in dem Problem gefangen haben, dass sie eigentlich eine Meinung haben, sich aber gleichzeitig nicht die Blöße geben wollen zu zeigen, dass sie tatsächlich berührt sind… Beide müssen vor allem cool bleiben. In dem Sinne, verstehst du, was ich meine? Du musst zu dem stehen, was du machst. Aber es sollte halt nicht so scheiße sein.

Möglicherweise hab ich das versäumt, aber haben die Newtopianer*innen sich nicht mal hingesetzt und sich ein gemeinsames Konzept ausgedacht? Wurstelt da jetzt wirklich jede*r für sich rum, und sobald sich diese Aktionen widersprechen, wird das Problem so „gelöst“ wie oben beschrieben? Oje.

Ich würde, mit meiner Erfahrung aus den Gemeinschaften, die ich kenne, ein Plenum einberufen und eine Runde machen: wie stellt sich jede*r das da jetzt so vor, was soll passieren, wofür braucht man gemeinsamen Einsatz, wie werden die Ressourcen eingesetzt. Wer macht was, was kann jede*r selbst, was geht nur nach Absprache (Bauholz verarbeiten). Vor solchen Diskussionen machen halt viele einen riesigen Bogen – es scheint so, als wäre für manche Menschen die Vorstellung, eine Stunde gemeinsam redend zu verbringen, das Schlimmste, was es überhaupt gibt.

Soweit ich Gruppenprozesse kenne, geht es nicht ohne. ABER: Vielleicht ist miteinander reden ja wirklich nicht der Weisheit letzter Schluss. Ich wäre selbst auch neugierig, wie man Sachen konfliktfrei auf die Reihe bekommt, ohne sich viel absprechen zu müssen. Im Tierreich wird das über Hierarchien geregelt; da hat der Stärkste (meistens ein Männchen) das Sagen. Das finde ich jetzt nicht die beste Alternativ zu einer effektiv moderierten Diskussion. Schlechter als gutes miteinander reden (eigentlich wollte ich solche Methoden sammeln unter http://forum-der-gemeinschaft.de/forum/forumdisplay.php?fid=14, bisher steht da aber erst eine einzige) ist aber auf jeden Fall, sich aneinander vorbei anzupampen wie bei Sat1…

 

P.S. Das Unerträglichste am Nt-Gucken sind die kurzen Musikeinspielungen, die die jeweiligen Emotionen unterstreichen sollen. Kann bitte jemand Sat1 die Musikrechte wegnehmen???


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Ein Gedanke zu “Newtopia: Wie reden die da?

  • Volker

    Erstmal meine Anerkennung dafür, Michael, wie ernsthaft du dich mit Newtopia auseinandersetzt.

    Bei dem Thema denke ich als erstes an die „Gewaltfreie Kommunikation“ nach Marshall Rosenberg.

    GfK ermöglicht einen vollständigen Wechsel meiner gewohnten Sichtweise auf andere, und der Sprache in der sich das ausdrückt.
    Zum Beispiel von „was mich am anderen stört“ zu „was mein Bedürfnis ist“.

    Klingt simpel. Ist es aber in der Praxis nicht (wie man auch in der Gemeinschaft in der ich lebe oft sehen kann).

    GfK lässt sich übrigens nicht nur für unangenehme Situationen anwenden.
    Auch Freude oder Anerkennung lassen sich auf viel tiefere Weise ausdrücken, als wir es gemeinhin gewohnt sind zu tun.

    Wäre das auch was für deine Methodensammlung?