Newtopia: Ich kann nicht erkennen, dass die Damen und Herren von Sat1 wissen, was sie da tun. Da haben sie mit einer aufwändigen Werbekampagne zum Einschalten eingeladen, da haben sie die sagenhaften technischen Möglichkeiten, eine Gruppe von Menschen von allen Seiten rund um die Uhr zu filmen, da haben sie offensichtlich gutes Geld in die Hand genommen – und dann bekommen wir erst die völlig belanglosen Verabschiedungen der Kandidaten von ihren Verwandten und Bekannten serviert, dann ihre gehetzte Rückkehr nach Hause, wo sie in 15 Minuten (Gameshow-Faktor!) eine Überlebenskiste packen dürfen (und wo wir dann nochmal Abschiede erleben dürfen, gähn), und dann gibt es Interaktionen der Newtopisten in Minihäppchen serviert, die zwar gut zum Privatfernsehen passen, aber total an dem vorbeigehen, was bei Newtopia eigentlich interessant sein soll, nämlich, wie und ob die Menschen sich zu einer Gruppe zusammenraufen. Anfängerfehler, zu denken, dass äußere Anlässe wie Abschied und Ankommen automatisch ein besonders packendes Filmerlebnis hervorbringen.
Als dann der auf supereklig inszenierte Intelligenz-Obdachlose auf sein vermeintlich erstes Polygamie-Opfer trifft, wird die Hilflosigkeit der Newtopia-Hilfsregisseure offenbar: Äh, was ist denn jetzt interessant an der Begegnung, äh, was zeigen wir denn da, äh, äh… Und so versandet das Programm nach einer halben Stunde im Märkischen Waldboden… Und ich wende mich anderen Dingen zu.
Ok, gestern lief die erste Folge… Aber schon die Berufsbezeichnung eines der Mitspieler als „Hartz-IV-Empfänger“… Sorry, Sat1, das geht euch leicht von der Hand, weil euer restliches Programm auf ebenso simplen Bahnen fährt, aber Newtopia sollte doch irgendwie „mehr“ sein…? Nicht, dass ich das erwartet hätte, ich habe bloß geglaubt, dass ihr den Schein etwas besser hüten würdet.
Vielleicht sollten bei Newtopia erfahrene Dokumentarfilmer*innen mitarbeiten, die wissen, wie menschliche Handlungen und Reaktionen zu bewegenden Geschichten verdichtet werden. Dieser Vorschlag scheint mir angebrachter, als Newtopia überhaupt von der Gemeinschaftsseite her zu beurteilen – im Moment gibt es daran nichts, was mit dem echten Abenteuer Gemeinschaft zu tun hat.
Ich habe gestern, während Newtopia lief (ich hab es mir aufgenommen und später angeschaut), mit meiner Gruppe und meinem Kind zu Abend gegessen und dann haben wir zusammen gespült. Dabei wurden wesentliche Themen verhandelt. Dann habe ich mit den anderen Mitgliedern meiner Elterngruppe (wir machen das zu viert) die Kinderbereuungstermine der nächsten Woche klargemacht und ein paar Reisepläne in der Zukunft besprochen. Dann fand ein Themenabend dazu statt, wie wir im Ökodorf Sieben Linden wachsen wollen – was wir von unserem derzeitigen Ankommens- und Aufnahmeprozedere halten. Ein gut besuchter, schöner, intensiver Abend, sehr nah am Kern des Gemeinschaftsgefühls, für fest installierte Kameras und ein Sat1-Filmteam wäre es trotzdem völlig langweilig gewesen. So viel zum Kontrastprogramm zu Newtopia in einer echten Gemeinschaft.
Übrigens wurde unsere Diskussion gestern Abend bei dem Punkt besonders intensiv, an dem es darum ging, dass ich als Einladender explizit nur feste Mitglieder unserer Genossenschaft eingeladen habe, und nicht die Leute, die sich in Annäherung oder der Probezeit befinden. Wir haben gestern also alle Nicht-Genossenschaftsmitglieder ausgegrenzt. Und obwohl viele gesagt haben, dass sie es genießen, mal in so einem Raum zu sein, in dem nur „Genoss*innen“ sind, gab es bei vielen auch ein komisches Gefühl, was dieses „Ausgrenzen“ angeht. Das ist ein ganz spannendes Thema: Wer gehört zur Gemeinschaft dazu. Dürfen wir „nein“ sagen, wenn wir jemanden lieber nicht dabei haben wollen? Müssen wir alle aufnehmen? Mehr dazu habe ich in „Öko Dorf Welt“ geschrieben, vielleicht gibt es zum Thema auch mal einen Beitrag hier im Blog.
Mehr über Newtopia bei den Kolleg*innen der Süddeutschen:
http://www.sueddeutsche.de/medien/newtopia-in-sat-feuer-frei-fuer-den-faulenzer-1.2363201-2
Und bei Spiegel.de:
http://www.spiegel.de/kultur/tv/newtopia-bei-sat-1-fernseh-experiment-ueber-kommune-a-1020038.html
Liebe Freunde in Sieben Linden,
ich kenne NEWTOPIA nicht, aber ich habe Sieben Linden kennengelernt. Und ich war begeistert von Eurer Idee, in Gemeinschaft sinnvoll und ökologisch zusammenzuleben. Und von der Art und Weise, wie Ihr die Idee umsetzt. Nach den Artikeln über Newtopia in der SZ und im Spiegel werde ich mir die Sendung mit Sicherheit nicht ansehen. Ich wundere mich, dass Ihr überhaupt auf die Idee kommt, diesen Schmarrn mit einer Diskussion aufzuwerten. Jedes Wort darüber ist zuviel.
Ja, irgendwie hast du ja recht… Aber ist das zu verstehen: Jetzt schreibe ich diesen Blog, was ich ewig vorhatte und dann doch erst umgesetzt habe, als ich fassungslos von Newtopia gehört habe.
In Sieben Linden sagen wir Privatsendern auch konsequent ab, weil wir nicht der Grund zwischen den Werbebotschaften sein wollen, wegen dem die Zuschauer*innen sich das Hirn waschen lassen. Und dann schreibe ich 4500 Newsletter-Abonennt*innen von Newtopia. Ich kann es dir nicht erklären.
Es fühlt sich aber gut an, mal laut und deutlich und ohne Zurückhaltung von echten Gemeinschaftserfahrungen schreiben zu können. Durch Newtopia hat der Mainstream sozusagen offen zugegeben, dass *er* wirklich keine Ahnung von Gemeinschaft hat… 🙂
habt ja beide recht , teilweise fast unerträglich , andererseits natürlich eine gelegenheit die eigenen erfahrungen mal an anderer stelle zu äussern ,,,,,,,,,,, ich habe es auch nur kurz ausgehalten bei newtopia mal rein zu zappen , allerdings gibt es da ein paar “ knallschoten “ die mir auch immer wieder in der realität begegnet sind , allemal ein grund für mich herzhaft zu gröhlen ,,,,,,,, ansonsten habe ich eines gelernt , alle medien müssen quote /geld, inhalt ist wurscht , ihr könnt nur versuchen diese gelegenheit für eure zwecke zu nutzen , ich mach schon mal mit